Während wir den Kreuzbergen im Osten des Alpsteins im letzten Spätsommer schon vielfach Besuch abgestattet haben, blieb der Süden für mich bisher unbekanntes Gelände. Daher nehmen wir heute (26.10.2024) als sachte Einführung die Schafbergkante am Wildhuser Schafberg. Es ist ein wohliger Sommertag im späten Oktober: Der Zustieg ist gesäumt von bunten, raschelnden Blättern, die Sonne wärmt von außen, und der kurze steile Anstieg von innen, insbesondere weil wir einen ungewollten Abstecher nehmen und einige Höhenmeter extra zurücklegen müssen.
Die leichteste Route über die Kante ist mit 5c in der Schlüsselseillänge fair bewertet; schwieriger schien uns eher die Routenführung im unteren Teil: Vom ersten zum zweiten Stand gibt es eine Vielzahl möglicher Wege, die durchaus auch mal in den Bereich 6a fallen können. Hier gibt es eine wunderbare Übersicht, sowohl über den Zustieg als auch über den Weg des geringsten Widerstands für die ersten zwei Seillängen.
Ein erneuter Solo Durchstieg im Dezember blieb mir verwehrt, da sich in der Route doch einiges an Schnee und Eis in den schattigen Rissen sammelt; an den sonnen-zugewandten Wänden konnte ich indes super topropen um schonmal zukünftige Projekte auszuspähen.
Einige Zeit später gab es für mich dann noch die Tour Patschli am äußeren rechten Rand der Schafbergwand. Hier sind die Bohrhaken in angenehmen Abständen vorzufinden, dafür gibt’s teils erstaunlich anspruchsvolle Platten-Passagen und eine (sehr) kurze athletische Dachkletterei in der vorletzten Seillänge.
Hoch hinauf auf steilen Schrofen schreite ich dem Schmerz davon der sich einen Weg erschlich ins Herz, ein scharfer Stich, einwärts gekehrt quer ich zum schmalem Pfad zum scharfen Grat, bin frei, endlich. Ein kleiner Stoß, ich fliege los Gedanken brechen aus, aus ihren Runden raus, der Grat verschwunden, ungebunden schweb ich hier in Dunkelheit – es tut mir Leid.
And all is lost in a storm, of something sinister.
Ein Tourenbericht zur Kreuzberg-Traverse von West nach Ost (K8 bis K1) am 07. September 2024.
Start am Biwak nahe der Roslenhütte um 6 Uhr. Blick auf K1 und K2.
Heute ist der Tag, so hoffen wir: Der späte Sommer gibt noch einmal alles und lockt mit angekündigten 25 Grad nicht nur uns in die Kreuzberge im Alpstein. Und das vielleicht für das letzte mal in diesem Jahr, denn ab kommender Woche wird es kalt und regnerisch. Also ist an diesem Samstag wohl eine der letzten guten Chancen, die Kreuzberg-Traverse bei gemütlichen Bedingungen in Angriff zu nehmen. Seit wir diesen Teil des Alpsteins vor 2 Monaten entdeckt haben, sind wir verzaubert: Von seiner Schönheit, von seiner Ruhe (zumindest ab Sonntag abends), von seiner Vielfältigkeit in der Kletterei. Von leichter Bergtour bis hin zu schwierigen Mehrseillängen gibt es hier alles. Und ziemlich direkt war uns klar: Die Traverse über alle acht Kreuzberge müssen wir wohl machen.
Heute also in der leichten Fassung von West nach Ost; denn andersrum startet man mit dem Ostgrat an K1, der uns (an einem anderen Tag) im ersten erfolgreichen Durchstieg (oben über Alter Nord) schon alleine fast einen ganzen Tag gekostet hat. Während unserer letzten zwei Besuchen hatten wir uns schon mit Abschnitten der Traverse bekannt gemacht, denn diese alpinere Umgebung ist uns Sportkletterern doch eher ungewohnt: Ein “leichter Abstieg in grasigem Gelände” kann sich für die ungeübte Person auch schnell mal schwieriger und unsicherer anfühlen, als eine 7 im Donautal, und ein “versteckter Abseilring” an K2 einen mehr zur Verzweiflung bringen, als eine abgespeckte Leiste in der Schlüsselstelle. Aber auch die Wegfindung fiel uns während diesen Erkundungstouren häufig schwer und war langwierig; da braucht es wohl noch etwas mehr Übung und Intuition für zukünftige Touren. Doch für heute sind wir mit dem Gelände zwischen K8 und K3 schon gut vertraut, was uns Mut für den Tag gibt.
Wir starten um 6 am Biwak nahe der Roslenhütte. Die Nacht war bedeutend kälter als noch letzte Woche und die 25 Grad scheinen in weiter Ferne. Was uns allerdings mehr Sorgen bereitet, als wir um kurz vor halb 7 den Grassattel vor K8 betreten, ist die Macht des starken Windes, der uns direkt die wohligen Schlafsäcke vermissen lässt, die einsam am Biwakplatz ruhen. Schon nach ein paar Minuten sind wir komplett durchgefroren und es graut uns vor dem ausgesetzten Südwestpfeiler an K8. Denn wir haben uns entschieden nicht den kurzen Zustieg auf K8 über den Grasgrat und das Westwändli zu wählen, sondern stattdessen die Traverse am Fuße von K8 in uns bisher unbekanntem Gelände zu beginnen. Und so steigen wir für eine kurze Weile munter den viel zu steilen Grasgrat hinunter, nur um nach einer Viertelstunde festzustellen, dass wir hier gar nicht richtig sind: Das Gras vor uns weicht einer tiefen engen Schlucht. Wir sind viel zu nah am Mutschen. Also zurück nach oben, auf dem Sattel ein gutes Stück weiter Richtung Osten, und dann nahe an K8 erneut den Abstieg beginnen. Aber hier sind wir definitiv richtig, denn es gibt viele Spuren und wir passieren die Einstiege der kürzeren Routen auf K8. Wir verpassen die erste 25 Meter Abseilstelle und klettern stattdessen beim Fixseil eine schmale Rinne 5 Meter ab. Es folgen zwei 50 Meter Abseiler an den Fuß des Berges und wir können etwas verspätet um kurz vor acht endlich mit der eigentlichen Traverse beginnen.
Einstieg in den Südwestpfeiler an K8. Tolle, leichte Kletterei in (meist) festem Fels.
Zumindest jetzt, hier im Südwestpfeiler, läuft dann alles glatt. Die Seillängen klettern sich von selbst, die Routenführung ist eindeutig, und die vorhandene Absicherung ausreichend für unseren Geschmack. Nur der Wind macht uns weiterhin zu schaffen, denn er dringt mit voller Macht durch jede Textilfaser. Dabei hat er auch zwei Vorteile: Wir klettern schneller als sonst, und der Fels ist, trotz starker Regenschauer zwei Tage zuvor, absolut trocken. Der Südwestpfeiler bietet viele Seillängen in überwiegend festem Stein mit teils toller Kletterei für diesen Schwierigkeitsgrad. Wir toppen um 10:20 Uhr aus und eilen direkt weiter über kurze IIer-Passagen in die Schwarte zwischen K8 und K7 um dem Wind zu entkommen; erfolglos. Also direkt weiter über die Biedermannkante auf K7. Außer einer kurzen, etwas ausgesetzten Kletterstelle in der 2. SL ist auch hier nur sehr leichtes Gelände anzutreffen. Gipfelfoto auf K7 um 10:55 Uhr. Es geht ein paar Meter entlang des Grates, gefolgt von einem kurzen Abstieg und einem 50 Meter Abseiler in Richtung Scharte K7 / K6. Flott über den Grasgrat geht es direkt in die rechte Variante der Westwand an K6 – eine SL in einer leichten Verschneidung in griffigem Stein, gefolgt von einer (sehr einfachen) SL auf den Gipfel. Es ist 11:50 Uhr.
Auf K6, Blick zurück in Richtung K7.
Ähnlich zu K7 folgt auch hier ein kurzer Abstieg in westliche Richtung, am Ende kurz entlang eines Fixseils, zur Abseilstelle über das große Felsloch. Es folgt eine der schönsten Passagen: Der Normalweg auf K5.
Anstieg auf K5.
Zusätzlich sind wir so langsam richtig aufgewärmt, nicht nur von den zurückgelegten Metern, sondern auch von der Sonne, die ihre letzte Kraft aufwendet um gegen den immer noch anhaltenden Wind anzukommen. Wir genießen jeden Meter und stehen um 12:30 Uhr oben. Über den ausgesetzten Grat geht es von hier etwa 20 Meter weiter bis zur Rechten die Abseilstelle kommt (vom Gipfel an markiert mit weißen Pfeilen). Drei mal 25 Meter abseilen bis zur Scharte und direkt weiter in die Westwand an K4. Oben raus empfehlen wir die kurze letzte SL vom Westgrat: An einer wundervollen Kante geht es direkt auf die lieblichen Wiesen von K4 – es ist 13:50 Uhr und Zeit für eine kleine Pause.
Abseilen von K5.
Von hier beobachten wir mit etwas Unbehagen den Andrang auf K3 – den wohl beliebtesten aller Kreuzberge. Während wir bisher noch nicht einer Menschenseele begegnet sind, staut es sich im Schmalen Südrippli (unserem präferierten Aufstieg für K3) beachtlich: Am ersten Stand sind mindestens 6 Leute zu erkennen, die sich erstaunlich lange nicht vom Fleck bewegen. Weiter oben sind weitere Seilschaften unterwegs. Was tun? Erst einmal weiter: Der Abstieg von K4 ist bezaubernd und erfolgt leicht südseitig. Erst eine Rinne hinunter, dann über ein etwas schmaleres Felsband (5 Haken vorhanden falls Absicherung erwünscht), und anschließend über einladende Wiesen zur Scharte vor K3. Es hat sich seit unseren Beobachtungen wenig geändert, daher wählen wir stattdessen den Anstieg über das Breite Südrippli und stehen um 15 Uhr auf dem Gipfel. Im Vorhinein wurde uns von einigen empfohlen die Traverse hier abzubrechen, denn es folgen Passagen in loserem Gestein. Aber was wäre das denn für eine Traverse? Wohl keine richtige. Der Abstieg über K3 kommt uns nicht so schwierig vor, wie befürchtet. Zumindest wenn man nicht alles absteigt: Wir folgen dem Grat hinab für etwa 50 Meter zu einem Ring an welchem wir 50 Meter abseilen in Richtung Vorgipfel.
Abstieg von K3 über die kleineren Vorgipfel.
Anschließend in leichtem Gelände auf den Vorgipfel hinauf, dem Grat eine Weile folgen und dann an einem weiteren Ring wieder 50 Meter abseilen. Hier verkantet sich unser Seil beim Abziehen auf halber Strecke. Nach einigem hin und her entscheiden wir uns doch mal doll zu ziehen. Es löst sich damit zum Glück; allerdings nur unter Begleitung einer kleinen Steinlawine die knapp neben uns vorbei rauscht. Die bisher gefährlichste Situation; im Rückblick wäre hier größere Vorsicht geboten gewesen und ein Aufstieg durch die Scharte zum Seilende wäre vielleicht die sicherere Wahl gewesen. Ab hier beginnt wieder unbekanntes Gelände für uns. Aus der Scharte vor K2 steigen wir auf recht geradem Weg (leicht rechts halten) hoch durch einen Kamin, der am Ende ein paar leichte Klettermeter hat. Um 16:10 Uhr stehen wir zum ersten mal auf K2 und sind – ebenfalls zum ersten mal – guter Dinge, dass wir wohl wirklich die ganze Traverse schaffen könnten.
Hier auf K2 ist bedeutend weniger los als auf K3, wie das Gipfelbuch verrät.
Der “versteckte Abseilpunkt” macht uns allerdings zu schaffen: Man steigt eine ganze Weile einfach immer weiter entlang des Grates ab. Das Gelände wird besonders gegen Ende recht steil und rutschig und Fußspuren werden für eine Weile immer weniger offensichtlich. Wir haben etwas zu sehr auf der Nordseite geschaut, dabei ist der Abseilpunkt eher gegen Osten ausgerichtet. Von dort seilen wir zwei mal 50 Meter ab in die Scharte vor K1. Uns steht nur noch die Grat-Querung mit der ominösen schwierigeren Stelle bevor. Der Grat selbst hat guten Stein und ist an sich leicht zu queren. Nach etwa 15 Metern kommt man an dem tiefen Einschnitt an. Hier gibt es auf der Ostseite einen recht neu eingerichteten Standplatz (den wir erst später von der anderen Seite sehen). Eigentlich gibt es nur eine offensichtliche Option, die in diese Richtung gut funktioniert: Die vorsteigende Person klettert ca. 6 Meter ab bis man auf die andere Seite spreizen kann. Hier gibt es auch einen alten Bohrhaken. Es ist kaum möglich mobile Sicherungen zu legen, was es zu einem etwas heikleren Unterfangen für die nachsteigende Person macht. Allerdings ist das Gelände auch weiterhin recht leicht (Kletterei im Grad III).
Der tiefe Einschnitt im Grat von K2 auf K1.
Gespreizt im Spagat wieder etwas hinauf klettern bis man auf der anderen Seite eine gute schmale Schuppe erreicht mit derer man sich an die andere Wand ziehen kann. Leicht links haltend folgt ein neuer Bohrhaken, anschließend ca. 7 Meter durch leichtes Gelände zum Ring gegenüber aufsteigen. Die nachsteigende Person sollte im Abstieg nicht fallen, hat dafür dann einen entspannteren Aufstieg auf der anderen Seite. Der anschließende Grat ist einfaches Gelände und führt in bestem Fels auf K1. 18:50 Uhr. Geschafft!
Das Gipfelkreuz auf K1 erreichen wir um 18:50 Uhr.
Für die vollständige Überschreitung, so behaupte ich, müssten wir eigentlich noch den Ostgrat runter. Aber das ist – zumindest für heute – zu viel. Wir seilen ab zur Hütte (drei Abseilpunkte, gelb markiert am Fels), holen unsere Sachen vom Biwak und essen um 20:00 Uhr an der Roslenhütte. Anschließend folgt der Abstieg zum Parkplatz Nasseel. Jetzt sind auch wir geschafft.
Für uns als „Berg-Neulinge“ war dies die bisher anspruchsvollste und anstrengendste Tour. Genau deswegen waren wir uns auch etwas unsicher über unsere Erfolgschancen und umso glücklicher die ganze Traverse geschafft zu haben. Dabei half es uns sehr, schon einige Abschnitte gut zu kennen und so relativ schnell und sicher durch das Gelände zu kommen. Ansonsten hätten wir es zeitlich wohl kaum geschafft – Respekt an alle die das ganze Unterfangen im ersten Anlauf an einem Tag schaffen. Und wir werden wieder kommen: Es wartet die Überschreitung von Ost nach West; und natürlich eine fülle an Touren an den Nord- und Südwänden die wir noch in Angriff nehmen wollen.
Ausrüstung: 1 Rucksack, 2 x 60m Halbseile, 1 Smart Alpine, 1 Tuber, 1 Grigri, 15 Exen, 3 Friends, einige Schlingen, einige Karabiner, 2 Kopflampen, 4 Liter Wasser, viele Riegel, Banane, Apfel.
In den kurzen IVer Seillängen an K6 und K4 waren wir mit beiden Halbseilen unterwegs, in leichterem Gelände III/IV häufig mit einem Halbseil, sonst frei. Bei einer Wiederholung würden wir wohl eher auf 2 x 50m Halbseile oder ein 50m Einfachseil und Rapline umsteigen. Wir hatten von Zeit zu Zeit etwas viel Kuddelmuddel mit den zwei langen Seilen. Außerdem hätten es 5 Exen weniger auch getan; die drei Friends waren (für uns) hilfreich für den Kopf (an dem tiefen Einschnitt zwischen K2/K1 und bei der Suche nach dem Abseilring auf K2).
Dank geht auch an andere veröffentliche Erfahrungsberichte (z.B. hier und hier), die uns in der Planung geholfen haben.